Als Paar lebt man das „WIR“, in der Wunschvorstellung vieler Menschen für das ganze Leben. Damit das glücklich und zufriedenstellend gelingen kann, braucht es zwei mal „ICH“. Ich meine damit keine egozentrischen Individuen, denen das Wohl des Partners egal ist. Ich meine selbstfürsorgliche Menschen, denen das eigene Wohl am Herzen liegt. Denn nur wenn wir selbst in unserer Mitte sind, wenn es uns gut geht, können wir die Version unseres Selbst leben, die interessant und auf allen Ebenen attraktiv auf den Partner wirkt.Und nur dann haben wir dauerhaft die Energie, um uns auf unseren Partner einzulassen und auch für ihn zu sorgen.
In einer Paarbeziehung gibt es immer wieder Herausforderungen und Probleme. Zum einen weil der Alltag, die Arbeit und die vielleicht vorhandenen Kinder all die Energie brauchen. Zum anderen aber auch, weil in den meisten von uns noch alte Verletzungen sind. Die Momente, in denen wir als kleines Kind nicht gesehen wurden. Wenn wir gehört haben, dass unsere Bedürfnisse nicht zählen, oder wenn wir gar keine Beachtung bekamen, weil unsere Eltern beschäftigt waren. Ohne zu viele Details zu erzählen, mag ich kurz erklären, dass wir alle in der heutigen Zeit noch die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges aufarbeiten. Nicht auf politischer Ebene, sondern ganz privat in unseren Beziehungen. Wir lernen wieder, wie wertvoll es ist, sich gegenseitig zu achten, sich selbst zu lieben, Kinder liebevoll und wertschätzend zu begleiten.
Um das ausführlich und ganz leben zu können, müssen unsere traurigen und nicht gesehenen inneren Kinder erst mal beachtet werden. Diese Chance haben wir, wenn wir mit dem Partner oder den Kindern an unsere Grenzen kommen. Wenn wir dann den Mut aufbringen, wirklich nach innen zu schauen, statt im Aussen mit irgendjemandem zu streiten, dann kann tatsächlich Heilung geschehen.
In einer Patchwork-Familie kann das natürlich noch schwieriger sein, weil oftmals aktuelle verletzte Gefühle dazu kommen. Es ist nicht immer leicht, mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen, schon gar nicht, wenn man davon ausgeht, dass alles schwierig ist. Ich möchte deshalb zum Bonus-Gedanken ermuntern. Es muss keine Stieffamilie sein, es kann eine Bonusfamilie sein. Natürlich ist es manchmal schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber wenn man es schafft, die Rollen klar zu sehen und die eigene Verantwortung zu tragen, dann kann es richtig gut funktionieren. Besonders wichtig ist es, dass die alte Paarbeziehung getrennt ist und die Elternrolle bleibt. Das muss auch den neuen Partnern ganz bewusst sein, denn der erste Platz bei der neuen Liebe ist durch die Kinder bereits besetzt. Aber wenn das klar ist, dann fügt sich das System im Guten zusammen und es entsteht ein buntes großes Familienbild, das durch die Vielfältigkeit strahlt und lebendig wird.
Ich bin dankbar, dass ich manche Paare und Familien durch diese schwierigen Lebensphasen begleiten darf. Manchmal erlebe ich in der Begleitung festgefahrene Situationen, die aus falsch verstandener Fürsorge oder Loyalität kaum mehr Lebendigkeit und Leichtigkeit zulassen. Dann ermutige ich die Paare, dass sie sich gegenseitig wieder wahrnehmen. Aber ich ermutige sie auch dazu, dass sich jeder wieder bewusst um das eigene Wohl kümmert, um als vollgetanktes und vor Lebensfreude strahlendes „ICH“ wieder mehr Leichtigkeit zum „WIR“ beitragen zu können.